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Warum rechtlich vorsorgen?

Warum soll ich eigentlich durch eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung rechtlich vorsorgen?

Diese sehr grundsätzliche Frage muss ich in der Beratung immer wieder beantworten, verbunden mit der Annahme, dass doch Familienangehörige im Notfall stellvertretend entscheiden könnten. Aber:

Unser Rechtssystem kennt kein automatisches Vertretungsrecht, auch nicht für Ehepartner.

Am besten kann man dies an der Entwicklung minderjähriger Kinder darstellen. Bis zum 18. Lebensjahr sind die Eltern automatisch vertretungsberechtigt. Mit der Volljährigkeit endet diese Zuständigkeit der Eltern – natürlich nicht zu verwechseln mit der Unterhaltspflicht!

Dazu ein Beispiel:

Familie Otto schenkt ihrem Sohn zum 17. Geburtstag ein Moped. Einige Tage später verunglückt der Sohn so schwer, dass er monatelang im Koma liegt. Da er noch nicht volljährig ist, können die Eltern für ihn im Krankenhaus alle Zustimmungen zur weiteren Behandlung geben. Eine Legitimation zur Vertretung des Sohnes brauchen sie nicht.

Mit Erreichen der Volljährigkeit ist jeder Mensch in unserer Rechtsordnung für sich selbst verantwortlich. Sofern er geschäftsfähig und finanziell flüssig ist, kann er jede Art von Geschäften tätigen, d.h. er kann grundsätzlich jede Art von „Willenserklärungen“ abgeben. Dies gilt auch für gesundheitliche Behandlungen. Solange wir handlungs- und geschäftsfähig sind, können wir jederzeit von diesem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen.

Wie  aber wäre die Situation, wenn der Sohn zum Zeitpunkt des Unfalls bzw. der Handlungsunfähigkeit bereits 18. Jahre alt gewesen wäre und die Eltern kein Bestimmungsrecht mehr hätten?

Mit dem Betreuungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) regelt der Staat genau diese Situation.

Durch das Betreuungsgesetz ist es gewährleistet, dass ein auch volljähriger Mensch vertreten werden kann, wenn er entscheidungsunfähig geworden ist: In einem gerichtlichen Verfahren „benennt“ das Betreuungsgericht einen persönlichen Stellvertreter (Betreuerin oder Betreuer), der bzw. die dann die Belange und Interessen des betroffenen Menschen vertritt. Idealerweise hat dieser schon in gesunden Tagen durch eine Betreuungsverfügung eine potentielle Vertreter gegenüber dem Gericht benannt.

Hätte in unserem oben genannten Beispiel der Sohn das Fahrzeug zum 18. Lebensjahr erhalten, wären die Eltern nicht mehr automatisch vertretungsberechtigt gewesen; sie wären erst nach einem betreuungsrechtlichen Verfahren bestimmt worden. Sie hätten dann nicht als Erziehungsberechtigte sondern als Betreuer gehandelt.

Um solche gerichtlichen Verfahren zu vermeiden, gibt es ein weites wichtiges Rechtsprinzip:

Die Vorsorgevollmacht hat Vorrang, weil wir ein „Subsidiaritätsprinzip“ haben.

Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass der Staat erst dann Regelungen vornehmen darf, wenn die Bürger dazu nicht (mehr) in der Lage sind. Mit der Erteilung einer  Vollmacht bestimmt der oder die Betroffene seine bzw. ihre rechtliche Vertretung selbst. Der Staat braucht dies durch seine Gerichte nicht mehr vornehmen lassen.

Dies ist der Grund, warum Sie immer zuerst klären sollten, ob Sie einem vertrauenswürdigen Menschen eine Vorsorgevollmacht erteilen wollen.

Hätte also im oben genannten Beispiel der volljährige Sohn eine Vorsorgevollmacht für die Eltern erteilt gehabt – was leider in diesem Alter sehr unwahrscheinlich ist -, könnten diese mit Vorlage der Vollmacht sofort gegenüber den Ärzten Entscheidungen und Verfügungen zur weiteren Behandlung treffen. Sie hätten dann als Bevollmächtigte gehandelt.

Um alles noch komplexer zu machen, wird zum 01.01.2023 ein automatisches Vertretungsrecht nur für Ehepartner wirksam.

Dieses Ehegattenvertretungsrecht bezieht sich jedoch ausschließlich auf den Gesundheitsbereich und ist äußerst begrenzt, so dass meine obigen Ausführungen davon unberührt bleiben. Auf diese neue Rechtslage werde ich in einem nächsten Blogbeitrag eingehen.

Fazit: Die Vorsorgevollmacht ist die erste Wahl – die Betreuungsverfügung die zweite Wahl.

Wer diesen absolut privaten Weg über eine Vorsorgevollmacht nicht gehen kann oder will, überlässt die Entscheidung über die rechtliche Vertretung dem Staat; er kann aber wenigsten in einer Betreuungsverfügung festlegen, wer bei Bedarf als gesetzlicher Betreuer eingesetzt werden soll. Beide Wege haben Vor- und Nachteile, wie ich in einem späteren Blog darstellen werde. Auch werde ich darauf eingehen, welche Rolle dabei die Patientenverfügung spielt.

 

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